
Bist du krank? Du hast so dunkle Augenringe.
Die bittere Wahrheit ist, dass wir unsere Kinder lieben und uns dennoch manchmal auf eine einsame Insel OHNE Kinder wünschen. Das sind sehr gegensätzliche Gefühlsregungen, die wir Mütter empfinden. Und mal Hand aufs Herz: Wären Babys nicht so niedlich, dann hätten wir sie in der Anfangsphase des Babywahnsinns wahrscheinlich schon irgendwo abgegeben. Das würde wir natürlich niemals tun, denn wir lieben unsere Kinder über alles. Aber wir können auch nicht leugnen, dass wir gerade am Anfang völlig überfordert sind und uns das Familienleben ganz anders vorgestellt haben.
Glücklich war ich in den ersten Babymonaten mitnichten. Der Grund war ganz einfach: Von Super-Muttis aus dem Umfeld, TV-Werbespots und sozialen Netzwerken wurde mir ein Kind für die absolute Krönung des Glücks verkauft. „Ein Baby beschere einem das wahre Glück“, höre ich noch die Insta-Super-Mama-Bloggerin sagen, der ich seit der Schwangerschaft folgte und deren Posts die Glückseligkeit mit Kind versprühte. Keine Erzählung über Babygeschrei von morgens bis abends, Babykacke- und kotze im ganzen Haus, Schlafentzug, Trotzphasen und dass man nie wieder alleine kacken gehen kann. Von der Geburt und dem „Wochenbett-Spaß“ fange ich jetzt gar nicht ernst an.
Diese Phase ist überstanden, unser Baby ist jetzt ein Kleinkind. Ja und tatsächlich bin ich glücklich mit Kind. Aber das musste ich mir hart erkämpfen. Das war gar nicht so einfach. Vielleicht auch weil ich in der Wochenbettzeit nicht unter dem typischen Babyblues litt, sondern in mir noch eine verschleppte Depression aus Kindheitstagen schlummerte, die das Glück mit negativen Gefühlen vollkommen überschattet hatte. Vielleicht aber auch, weil es normal ist, in der Babyanfangszeit nicht vor Glück zu platzen.
Weniger hilfreich waren auch die Wie-werde-ich-DIE-perfekte-Mutter-Ratgeber, die ich in der Schwangerschaft verschlang und welche mich ständig verwirrten und dazu veranlassten, all diese Tipps akribisch umzusetzen wollen, obwohl mein Mama-Instinkt etwas anderes sagte. Aber ich wollte DIE perfekte Mutter sein, ohne Rücksicht auf Verluste. Kein Wunder, dass mich der Perfektionswahn drohte niederzureißen und ich immer frustrierter wurde, weil ich es (in meinen Augen) nicht so toll gewuppt bekam, wie diese perfekten Insta-Mamas oder wie es in den Ratgebern postuliert wurde. Bis ich endlich begriff, dass die Glückseligkeit der Mütter aus den sozialen Netzwerken mehr Schein als Sein ist, war eine lange Zeit voller Selbstzweifel vergangen. Kaum jemand spricht die Wahrheit aus, weil die meisten ihr Gesicht waren wollen. Wo würden wir denn hinkommen, wenn wir Mütter zugeben würden, dass wir in gewissen Momenten frustriert, überfordert, ja gar unglücklich sind. Mit Sicherheit kann sagen, würde das unsere Gesellschaft ein wenig zusammen rücken, zumindest die Mütter unter sich. Statt gegeneinander zu wettern und mit dem Finger aufeinander zu zeigen, sollten wir uns verbünden.
Ich habe gelernt, meinen Perfektionswahn zu durchbrechen, mich selbst wiederzufinden und meinen eigenen Weg als Mutter zu gehen, egal was andere darüber denken mögen. Wie ich das schaffte, erzähle ich in meinem Buch: (Über)leben als Mutter: Wie du trotz Babyalltagswahnsinns ein glückliches Familienleben haben kannst, wenn du einfach mal lockerlässt.
Verzweiflung bleibt aber auch heute mit Kleinkind immer noch nicht aus, die kommt immer mal wieder. Und in manchen Situationen möchte ich am liebsten meine Sachen packen und einfach nur mal Zigaretten holen gehen… Wisst ihr, wann es mir so ergeht? Vor allem nachts! Wenn mein Kind zum zehnten Mal im 45-Minuten Takt nach Mama schreit. Wie eine Wahnsinnige rennt man schlaftrunken ins Kinderzimmer, weil man befürchtet, diesmal ist bestimmt wirklich was Schlimmes passiert. Fieber, Magen-Darm, Nachtschreck whatever… Natürlich nicht, mein Kind wollte nur wieder mal was trinken. Knapp drei Jahre ist er alt, erzählt mir immer wieder ganz stolz, dass er schon ein großer Junge sei, beim Anziehen darf ich nicht helfen, weil er das ja schon „alleine“ könne, aber nachts seine Wasserflasche, die auf seinem Nachttisch direkt neben seinem Bett steht, selbst zu nehmen, das kann er dann auf einmal nicht mehr, dafür muss man die Mutter aus dem Schlaf reißen. Da kann man doch nur irre werden und selbst Buddha würde in solchen Momenten aus seiner inneren Balance geraten.
Wie der nächste Morgen dann bei mir aussieht? Na das fragt mal mein Spiegelbild. Augenringe bis zum Bauchnabel sag ich da nur. Nicht gerade förderlich sind dann Kommentare von anderen Mitmenschen aus dem Umfeld. Ob man krank sei, weil man so dunkle Augenringe habe, wurde ich nach einer Horrornacht - in der ich zigmal aus meinem Schlaf gerissen wurde und bei jedem Male einen Herzinfarkt fürchtete - gefragt. Nein, verdammt nochmal, ich bin nicht krank, zumindest körperlich nicht, aber psychisch gesehen schramme ich nach solchen Nächten haarscharf an einem Nervenzusammenbruch vorbei. Und manchmal, da lass ich diesen Nervenzusammenbruch zu. Dann liege ich in Embryohaltung - mit drei kalten Kaffee intus - auf der Couch und bemitleide mich selbst. Der Satz „Bekommt Kinder haben sie gesagt, das wird Spaß machen, haben sie gesagt“ spukt dabei immer wieder in meinem Kopf herum. Nach diesem hysterischen Heulkrampf, setze ich mich nach einiger Zeit wieder auf, versuche meine zerzausten fettigen Haare zu einem einigermaßen ansehnlichen Mama-Dutt zu knoten und mache mir einen weiteren Kaffee. Diesen genieße ich dann zum ersten Mal des Tages warm, gleichzeitig mit einer genüsslichen Zigarette auf der Terrasse. Danach geht es mir dann wieder besser. Ab und an muss man diese Gefühle zulassen, einmal rauslassen und dann wieder die Krone richten. Haben wir Mütter eine andere Wahl? Nein! Wir müssen uns eingestehen, dass das Leben mit Kind ein auf und ab auf der Glücksskala ist. Kinder sind toll, keine Frage, wir haben sie lieb, auch keine Frage. Ein Pups zu feiern und sich lauthals darüber zu amüsieren, wie es Kinder tun, steckt an und ich liebe es mich in die heile Welt meines Kindes fallen zu lassen, um mich vor der stressigen verrückten Welt mal verstecken zu können. Aber eines ist auch klar, Kinder rauben einen den letzten Nerv. An manchen schlaflosen Nächten oder nach filmreifen Trotzanfällen im Supermarkt, empfinde ich mein Kind wie ein kleinen Parasiten, der einen die letzte übriggebliebene Energie aussaugt. Mein Lichtblick in diesen Momenten ist mein Mantrasatz „Es kommen wieder bessere Phasen“ oder die Flasche Wein, die mich im Supermarkt-Regal aus weiter Entfernung anlächelt.
Ohmmmmm.