
Glamour vs. Reality
Vor kurzem erzählte mir eine Bekannte, die mein Buch las, dass sie es toll findet, dass ich so ehrlich über das Leben als Mutter berichte. Ihr erging es nämlich ähnlich wie mir am Anfang, wie wahrscheinlich vielen. Sie hätte sich das nie getraut, die Wahrheit zu sagen und so ehrlich damit umzugehen, die Leute könnten ja schlecht über einen denken, erzählte sie mir weiter.
Natürlich musste auch ich mich erstmal dazu überwinden, denn wie es immer so ist, wenn man die Wahrheit ausspricht, gibt es Menschen, die die Wahrheit nicht hören wollen. Meine Aussagen in meinem Buch polarisieren mit Sicherheit, aber das ist in Ordnung, damit kann ich umgehen. Nicht jeder verträgt die Wahrheit und nicht jeder vertritt die selbe Meinung. Manch einer wird sich angegriffen fühlen, manch einer wird sich verstanden fühlen.
Die Wahrheit ist, dass unsere Gesellschaft die Lüge bevorzugt, um dazuzugehören, um Anerkennung zu bekommen, um nicht verachtet zu werden. Fakt ist auch, dass ich in meinen Anekdoten aus meinem Leben niemanden verärgern möchte, das ist überhaupt nicht meine Intention. Viel mehr wünsche ich mir einen Wandel in unserer Gesellschaft. Eine Gesellschaft in der Mütter ihre ambivalenten Gefühle äußern dürfen, ohne mit bösen Blicken gestraft zu werden. Erst wenn man diese ambivalenten Gefühle vor anderen nicht mehr versteckt und sie annimmt und fühlt und ehrlich damit vor anderen Mitmenschen umgeht, erst dann kann eine Entwicklung stattfinden. Erst dann können wir besser mit diesen Gefühlen umgehen und wenn uns mal wieder eine Welle der Überforderung und Frustration überspült, ja erst dann merken wir, dass es nur ein Moment ist, in dem es einem so ergeht, dass es vielen so geht und dass der nächste Tag schon wieder anders aussieht.
Die perfekt inszenierten Bilder bei Instagram auf denen die Wohnung nach Jahreszeiten dekoriert ist, der Boden wie geleckt aussieht und einen eine fröhliche, überglückliche aufgehübschte im Kaftan gekleidete Mutter, die ihr Baby im Rapsfeld mit beiden Händen in die Höhe hält, entgegen lächelt, kommen natürlich besser an, als Bilder die das reale Leben einer Mutter zeigen: Eine Mutter, die mit dunklen Augenringen, fettigen zerzausten Haaren, die zu einem Mama-Dutt geknotet sing, Jogginghose und Schlabber-Pulli, die Wohnung saugt. Natürlich schaue ich mir die Bilder dieser perfekten Familien auch lieber an, als morgens nach einer Horrornacht in mein eigenes Spiegelbild zu schauen oder mich all abendlich durch das Spielzeug-Chaos im Wohnzimmer zu kämpfen. Und ganz selbstverständlich like ich die Bilder, sieht ja auch einfach toll aus, aber im Hintergedanken habe ich heute immer, dass diese Bilder inszeniert sind und dass für das Bild der nach Jahreszeiten aufgehübschten Wohnung, ausschließlich diese 4 Quadratmeter schick hergerichtet wurden und der Rest der Bude das selbe Chaos aufweist, wie in jeder Familie. Die Bilder beeinflussen mich nicht mehr, weil ich weiß, dass es nicht echt ist. Bei all dem blendenden betörenden Glanz lasst uns doch bitte nicht die Realität vergessen!
Zum Glück gibt es hier und da schon einige Mütter, die das wahre Leben als Mama zeigen. Mit viel Humor wird das echte Familienleben authentisch wiedergegeben. Diese Bilder bringen mich zum Lachen, zum zustimmenden Kopfnicken, weil ich mich in den Situationen wiederfinde. Und ich lechze nach mehr solch authentischen Mamis, mit denen ich mich verbunden fühlen und über typische Alltagssituationen mit Kindern lachen kann. Authentizität bringt ein wenig Leben in unsere stressige unaufgeräumte Mama-Bude.
Während die glamourösen perfekt inszenierten Bilder zwar schön anzusehen sind, berühren mich die Bilder dreckiger und mit Patsche-Kinder-Hände gespickter Fenster und im Spielzeug-Chaos versunkener Wohnungen viel mehr. Einfach weil ich mich damit identifizieren kann und erkenne, dass ich nicht die einzige Mama bin, die nicht perfekt ist und in ihrem Mama-Chaos manchmal untergeht. Diese Gefühle zu teilen, macht es alles einfacher und ich kann die Welle der Überforderung, die mich des Öfteren überschwemmt mit mehr Humor sehen und mich viel schneller aus meiner Frustration heraus kämpfen.
Ein Prosit auf alle authentischen Mamas, die das Sein vor dem Schein vorziehen! Danke für eure Offenheit!
Sabbriger Spuckekuss, eure Maria